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Off-Topic: Der Kampf um unsere Hebammen

Ihr Lieben, heute wende ich mich mal mit einem Thema an euch, dass mir persönlich sehr wichtig ist. Man könnte fast sagen: von existenzieller Wichtigkeit. Es geht um unsere Hebammen und darum, dass ihr Beruf vom Aussterben bedroht ist.


Letzte Woche wurde bekannt, dass die Hannoversche Versicherungen den Freiberuflichen Hebammen zum 01. Juli 2015 den Versicherungsschutz kündigen. Das bedeutet das berufliche Aus für unsere freiberuflichen Hebammen, denn ohne die Haftpflichtversicherung dürfen sie nicht tätig sein.

Während meiner ersten Schwangerschaft mit Kleinliebeling begab ich mich, wie die meisten werdenden Mütter, auf die Suche nach einer Hebamme, die mich vor, im Idealfall während und auch nach der Geburt begleiten sollte. Im Geburtenhaus Freiberg fand ich schließlich „meine“ Maria. Maria war frisch von der Hebammenschule und hatte sich gerade selbstständig gemacht. Sie ist eigentlich fast immer fröhlich, häufig ein wenig frech und stets hilfsbereit. Ich mochte sie auf Anhieb. Sie nahm mir alle Ängste vor der Geburt und zum Ende der Schwangerschaft war ich wieder völlig tiefenentspannt.

Meine Geburten

Vielleicht sogar zu sehr, denn als die Geburt dann los ging, habe ich es nicht mehr ins Krankenhaus geschafft. Ich bin nachts um 4.05 Uhr durch den Blasensprung aufgewacht und um 4.10 lag Kleinliebeling in einem Handtuch eingewickelt bei uns auf dem Badvorleger.

Für viele mag das nach einer herrlich schmerzfreien und leichten Geburt klingen; für mich aber war das der absolute Horror. Mal abgesehen davon, dass ich überhaupt nicht begriffen habe, was da gerade passiert war, durchlebte ich auch eine ganze Menge Ängste. Meine Frischgeborene schrie nicht, sie röchelte nicht mal. Eigentlich lag sie die ersten 30 Sekunden nur ganz still da und bewegte keine Glieder. Ihr könnt euch vielleicht vorstellen, dass mir diese ersten Sekunden ihres Lebens wie Jahre vorkamen, in denen ich davon überzeugt war, mein Kind ist tot.

Es wurde auch nicht besser, als der Notarzt dann kurze Zeit später eintraf. Natürlich ist es nie angenehm, wenn man plötzlich nackt im eigenen Bad von vier wildfremden Männern umringt ist. Viel schlimmer war aber, dass der Notarzt mir mein Baby wegnahm, um es in eine Aluminiumdecke eingewickelt ins Krankenhaus zu bringen. Es war klar, dass es so kam, wie es kommen musste: Von der mütterlichen Wärmezufuhr isoliert, unterkühlte meine Tochter und musste erstmal in das Wärmebettchen. Übrigens war es nicht die Schuld des Arztes, wie man mir zuvorkommend versicherte, sondern ausschließlich die meine. Ich hatte die Situation ja wohl selbst provoziert, indem ich zu lange zu Hause gewartet habe. Ist klar. Wochenlang beschäftigte mich das ganze Geschehen. Hinzu kam, dass ich mich um das „Geburtserlebnis“ betrogen fühlte. In der einen Sekunde war ich schwanger, in der anderen nicht mehr. Stattdessen war da von jetzt auf gleich dieses kleine Wesen da, das mir eine Heidenangst eingejagt hat.

Mit diesen Ängsten belastet ging ich also in meine zweite Schwangerschaft. Und wieder war es Maria, die mir geduldig Mut zuredete. Sie lachte mich nicht aus und sie war nie genervt. Egal ob ich nachts um 3 Uhr anrief oder sie sonntags früh um 6 Uhr zu meiner Beruhigung zum CTG schreiben vorbei kam. Die Geburt der Klitzekleinen ging schließlich auch sehr schnell. Aber wenigstens habe ich es dieses Mal ins Geburtshaus geschafft und ich hatte auch noch ein wenig Zeit die Geburt „genießen“ zu können.



Der Kampf für unsere Hebammen, ist auch ein Kampf für uns und unser Recht auf eine selbstbestimmte Geburt

Das ist nur meine Geschichte, aber sie zeigt, wie groß die Bedeutung meiner Hebamme für mich war und auch noch immer ist. Und ich bin damit nicht alleine. Eine gute Hebamme ist unbezahlbar. Sie ist diejenige, welche uns schon während der Schwangerschaft BEST möglich vorbereitet, damit wir entspannt und freudig auf das Ereignis Geburt blicken können. Mit etwas Glück begleitet sie uns auch während der Geburt und hält ihre Hand über uns, ist unsere Stimme für eine geborgene und selbstbestimmte Entbindung. Sie gibt uns Sicherheit und Halt. Und wenn wir schließlich mit unserem kleinen Bündel Leben zu Hause sind, ist es wieder unsere Hebamme die ein wachsames Auge auf und ein offenes Ohr für uns hat und die sich führsorglich um das Wohlergehen von uns Frischentbundenen und unseren Kleinsten kümmert.

Diese wichtige Arbeit und ihre unbezahlbare Bedeutung für uns Mütter, soll bald der Vergangenheit angehören, weil den selbstständigen Hebammen der Versicherungsschutz gekündigt wurde. Vielleicht denkt ihr euch jetzt: Na und? Eure persönliche Familienplanung ist abgeschlossen oder ihr wollt ja sowieso nicht in einem Geburtenhaus entbinden? Aber das stimmt nicht. Es geht uns alle etwas an. Alle Mütter wie auch Großmütter, aber auch die Väter, Söhne und Töchter. Vor allem unsere Töchter.

Es betrifft nicht nur die Mütter, die in einem Geburtenhausgeburt entbinden wollen, sondern auch die Vor- und Nachsorge ist davon gefährdet. Und zumindest hier in Freiberg ist es so, dass es keine einzige festangestellte Hebamme am Krankenhaus gibt. Die Entbindungsstation ist ausschließlich durch Beleghebammen besetzt. Fallen diese weg, muss (theoretisch) auch die Entbindungsstation schließen. (Oder das Krankenhaus finanziert dies?)

Die Zukunft ohne Hebamme sieht düster aus

Meine persönliche Familienplanung ist noch nicht abgeschlossen. Ich würde gerne noch ein drittes Kind bekommen. Irgendwann. Fast scheint es aber so, als ob man sich jetzt beeilen müsste. Denn für mich ist eines ganz klar: Ich gehe nicht für die Entbindung in ein Krankenhaus, dann schon lieber alleine zu Hause. Das mag für mich gut funktionieren, denn mir scheinen die Kinder aus dem Schoß zu fallen, aber das funktioniert nicht für andere. Schon gar nicht für Erstgebärende.

Aber welche Alternativen wird es dann geben? Ein Kreißsaal, in dem ein Arzt die Entscheidungen trifft und sich die Entbindenden unmündig und alleine gelassen fühlen? Um dem zu entgehen, entscheiden sich vielleicht auch viele gegen Kinder. Ich hoffe doch nicht. Ich denke, dass es den Beruf der Hebamme weiterhin geben wird. Allerdings wird nicht nur das Kinder haben, sondern auch schon das Kinderkriegen richtig teuer werden. Denn die Hebamme wird sich ihre Leistungen teuer bezahlen lassen (müssen) damit sie sich ihre Versicherung leisten kann.

Was kann man also tun?

Wir können kämpfen! Hier und heute möchte ich aber nicht nur für die Hebammen kämpfen. Ich möchte für uns Frauen kämpfen und dafür, dass wir weiterhin die Hilfe, das Wissen und die Unterstützung der Hebammen genießen dürfen. Ich kämpfe für das Recht der Frauen, weiterhin eine geborgene Schwangerschaft und eine selbstbestimmte Geburt erleben zu dürfen. Ich kämpfe für uns Mütter und Väter, die zusammen während der Geburt leiden und von den Hebammen Hilfe und Unterstützung bekommen haben und ich kämpfe für unsere Söhne und Töchter. Vor allem für unsere Töchter.

Die Hebammen brauchen nun all unsere Unterstützung und unsere Stimmen. Mit einer Unterschrift bei dieser Petition können wir ihnen ein wenig von dem zurückgeben, was für mich unbezahlbar ist: Meine tiefe Verbundenheit und Dankbarkeit gegenüber dieser wunderbaren Frau, die meinem Baby auf die Welt geholfen hat.

Bitte Unterstützt unsere Hebammen.

Florentine

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